Hermann Leeser Schule in Dülmen

Schultisch mit zwei Stühlen, darauf zwei Bücher, eine Tafel mit Kreide, daneben ein Zirkel.
Helgas Schule in Dülmen am Bült – Helga Becker-Leeser erinnert sich: „Die Schule mit Unterricht von Lehrer Herrn Wiegand machte mir absolut keine Probleme, da ich schnell rechnen, schreiben und lesen lernte.“

Das Türenprojekt
Dülmen

Einführung, Erklärungen und Kommentar zu den Bildmotiven

„Spurensuche_n: Jüdisches Leben im Münsterland. Wander-Ausstellung mit bürger­wissenschaftlich gestalteten Türen“ der Arbeitsstelle Forschungstransfer der Westfälischen-Wilhelms-Universität Münster ist ein Projekt, an dem für den Dülmener Beitrag Schülerinnen und Schüler der Geschichts-AG mit ihren beiden Lehrerinnen Gerda Küper und Dr. Andrea Peine (beide Yad Vashem Graduates), der Dülmener Stadtarchivar Dr. Stefan Sudmann, die Grafik-Designerin Christiane Daldrup, der Künstler Udo Schotten sowie Theo Schwedmann, Projektleiter a.D. „Erziehung nach Auschwitz NRW“, gearbeitet haben. Praktisch wie inhaltlich unterstützt wurde das Team Corona-bedingt von der Schulsekretärin Mechthild Remme, der 2. Konrektorin Petra Baune und Frieder Martike, ebenfalls Lehrer an der Hermann-Leeser-Schule. Auf „unserer“ Tür sind prägnante und aussagekräftige Motive aus dem Buch „Von allem etwas … – Erinnerungen von Helga Becker Leeser“ auf die weiße, bewusst „alt“ gelassene, Vorderseite appliziert. Die Motive stehen für das jüdische Leben in Dülmen vor und während der Zeit des Nationalsozialismus.

Es schlossen sich unwiederbringlich die Türen zum Elternhaus, zur Synagoge, zur Schule, zum Firmengelände, zu den Geschäften in der Stadt, zu den Häusern der Freundinnen, kurz zur Heimat, aber auch zur Wohnung im Rotterdamer Versteck ...

Anliegen ist es – wie auch im Buch – das pädagogische Prinzip Yad Vashems umzusetzen, die Namen der jüdischen Opfer aufzuspüren und ihnen individuell ihre Geschichte zurückzugeben, diese in Bild, Text, Ton und Film zu sammeln und zu dokumentieren, exemplarisch zu erzählen und darzustellen; hier an der Geschichte von Helga Becker-Leeser aus Dülmen. Damit mögen sich dem Besucher Türen öffnen für das Verstehen und wider das Vergessen …

Türen schlossen sich für die Mitglieder der Dülmener jüdischen Gemeinde und damit für Helga Becker-Leeser, die hier im Mittelpunkt der Darstellung steht: Es schlossen sich unwiederbringlich die Türen zum Elternhaus, zur Synagoge, zur Schule, zum Firmengelände, zu den Geschäften in der Stadt, zu den Häusern der Freundinnen, kurz zur Heimat, aber auch zur Wohnung im Rotterdamer Versteck …

 

Auf der grünen Tür-Rückseite (es ist das im Buch verwendete Grün, als Reminiszenz an den Kastanienbaum im Garten des Leeserschen Hauses sowie Symbol der Hoffnung) tauchen Motive aus der Gegenwart gleichsam als Pendant auf. Ein lebendiger Dialog zeichnet das Hier und Jetzt aus, denn durch die pädagogische Erinnerungsarbeit, besonders durch das Buchprojekt „Von allem etwas …“, haben sich viele Türen für die Schülerinnen und Schüler der Hermann-Leeser-Schule und alle am Buch-Projekt Beteiligten geöffnet: Die Türen der Freundschaft und Verbundenheit zu Helga, ihrem Sohn Joost und ihrer Schwester Ingrid in den Niederlanden, die Tür zur Partnerschaft und Kooperation mit der International School for Holocaust Studies in Yad Vashem, Israel, die Türen zu den Partnerschulen derselben und zur Ha-Maayan High School in Rishon Lezion, Israel. Ebenso öffnete sich die Tür zur Villa ten Hompel in Münster, des weiteren öffneten sich Türen der kooperativen Zusammenarbeit mit den Institutionen, wie Bildungspartner NRW, Heimatverein Dülmen e.V., jüngst der Universität Münster Münster, Arbeitsstelle Forschungstransfer und damit insgesamt zu vielen Herzen der Menschen, die im Bereich der Erinnerungsarbeit wirken. Wir alle nehmen Vergangenes in den Fokus, gerade in Zeiten des wieder erstarkenden Antisemitismus und der wachsenden Fremdenfeindlichkeit in Deutschland, mit dem Ziel, dass diese Türe sich endlich schließen möge.

Durch die pädagogische Erinnerungsarbeit haben sich viele Türen geöffnet

... mögen sich dem Besucher Türen öffnen für das Verstehen und wider das Vergessen ...

Helga Becker-Leeser vor einer Hecke in Kleid mit kleiner Tasche und Schulranzen.
Helga Becker-Leeser am Tage ihrer Einschulung am 27. April 1935

Vergangenheit

Früh in der Hand der NSDAP

Verzierte Innenstadt, links im Bild mehrere Jungen, mittig ein Musikzug bestehend aus mehreren Gruppen.
Aufmarsch von Nationalsozialisten in Dülmens Innenstadt
Dülmen war eine der we­nigen Städte im Münster­land, wo schon vor 1933 eine NSDAP-Ortsgruppe bestand, gegründet bereits 1927 von den Brüdern Franz und Julius Bielefeld.
Das Leeser-Haus ist das hel­le Haus in der Mitte ohne (!) Hakenkreuzfahne, links im Bild: Die Kirchhofmauer von St. Viktor.
Einstöckiges Eckgebäude mit Spitzdach und Schaufenster. Links davon zwei- bzw. dreistöckige Gebäude, denen gegenüber eine Mauer.

Das Leeser-Haus, Lüdinghauser Straße in Dülmen

Aufnahme von 14 Kindern vor einem Fenster mit brennendem Chanukka.
Kinder in der Dülmener Synagoge
Bekannt in Dülmen war ein Foto des Innenraums der Syn­agoge. Während der Arbeit am Buch bekam das Team durch Zufall dieses Foto aus dem Leo Baeck Institute in New York in die Hände, auf dem man im Innenraum der Synagoge vierzehn Kinder sieht; Helga ist in der zweiten Reihe das dritte Kind von rechts.

Die Synagoge brennt

Schreibmaschinendokument auf gelblichem Papier mit einigen handschriftlichen Kommentaren.
Aussage des Feuerwehrmanns Paul Simons nach dem Krieg zum Brand der Synagoge in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938
Zeichnung eines Paares das durch ein Fenster auf ein in Flammen-stehendes Gebäude sehen. Neben dem brennenden Gebäude ein Gebäude mit rotem Dach, im Hintergrund ein Kirchturm mit grünem Dach.
Hermann Leeser und Helga schauen in der Nacht vom 9. November 1938 aus dem Gästezimmer im Obergeschoss des Leeser-Hauses auf die brennende Synagoge

Brand der
Synagoge

Hierzu erinnert sich Helga Becker-Leeser: „Das ‚normale’ Leben ging in dieser Weise weiter bis zum 9. November 1938. Plötzlich gab es abends unten im Haus einen schrecklichen Lärm. Die Eltern stürzten in unser Schlafzimmer, um uns zu beruhigen. Danach nahm der Vater mich mit ins Gästezimmer an der Vorderseite des Hauses, ging mit mir zum Fenster, zeigte mir in der dunklen Luft helle Flammen und große Rauchwolken und sagte kurz und ohne weitere Verdeutlichung: ‚Die Synagoge brennt. ’“ Aus: „Von allem etwas“, S. 42

Karte mit großem J auf der linken Seite, rechts ein Bild von David Dublon, dessen Unterschrift und Fingerabdrücke.
Personenkennkarte von David Dublon

David Dublon

David Dublon war der Kantor der Dülmener jüdischen Ge­meinde und Vorsitzender des Gesangsvereins „Loreley“. Familie Dublon wohnte in einer Wohnung im Obergeschoss direkt neben der Synagoge. In der Reichspogromnacht, als die Synagoge brannte, wurde er von einigen Dülmener Nazis die Treppe heruntergestoßen. Verletzt lag er auf der Straße, die Männer der Dülmener NSDAP-Ortsgruppe fielen über ihn her und misshandelten ihn schwer.

Hier haben wir eine noch existierende Abbildung der Leeserschen Textilfabrik. Es handelt sich um den Briefkopf mit Abbildung der Firma Leeser aus der Zeit des Ersten Weltkrieges.

Das Leeser-Haus, Lüdinghauser Straße in Dülmen

Hermann, Helga und Ingrid Leeser auf einer Wiese liegend/hockend. Im Hintergrund Gebäude und Grün.

Hermann Leeser, inmitten der Töchter Helga und Ingrid am 12. Juni 1938 im Garten des Hauses der Familie

Gemaltes Bild mehrerer roter Fabrikgebäude, im Hintergrund ein Schornstein, vorne eine Straße mit Autos, einem Fahrrad und Fußgängern. Am unteren Rand mehrstöckige Gebäude.
Textilfabrik Leeser, auf deren Fundamenten sich heute die Sporthalle der Hermann-Leeser-Schule befindet. Das westliche Münsterland ist geprägt gewesen von der Textilindustrie.
Kniehoher Grabstein mit Davidstern im oberen Teil, davor mehrere Große Steine. Im Hintergrund flaches Grün.
Grabstein von Hermann Leeser

Im November 1938, einige Tage nach seinem Tod, wurde Hermann Leeser auf dem jüdischen Friedhof am Kapellenweg beerdigt. „Ingrid und ich durften nicht dabei sein“, erinnert sich Helga Becker-Leeser.

Versteck oder nicht, Hunger oder nicht! die beiden Schwestern fertigten ein Geschenk an „Van Alles Wat“

Namenspate des Buches
„Von allem etwas …“

Helga berichtet hierzu: „Doch auf einmal bekam meine kleine Schwester Ingrid eine Idee, um den 40. Geburtstag meiner Mutter im Dezember 1944 doch ein wenig zu feiern, Versteck oder nicht, Hunger oder nicht! Aus einem dicken, noch leeren Schulheft machten wir ein ‚Buch‘ mit Geschichten. Ich schrieb diese Geschichten in Schönschrift und Ingrid malte dazu schöne farbige Zeichnungen. Wir gaben dem Buch sogar einen Titel: ‚Van Alles Wat‘ .“

Das originale Büchlein befindet sich in Familienbesitz und der Titel wurde Namenspate des Buches „Von allem etwas … Meine jüdische Kindheit in Duellen und Rotterdam, 1928-1945. Erinnerungen von Helga Becker Leeser“, herausgegeben von der Geschichts-AG der Hermann-Leeser-Schule Dülmen und dem Stadtarchiv Dülmen.

Mehrere Seiten aus einem Heft mit farbiger Schrift und Verzierungen.
Aufnahmen des Original-Buchs „Van Alles Wat“
Zwei Kinder sitzen in einer farbigen Zeichnung an einem Tisch in einem grünen Zimmer unter einer Lampe und schreiben in ein Heft.
Helga und Ingrid fertigen 1944 während des „Hunger-Winters“ im Rotterdamer Versteck anlässlich des 40. Geburtstages ihrer Mutter Rhea Leeser das Büchlein „Van Alles Wat“ an und bringen somit Wärme und Freude!
Blick von unten auf einen großen Baum herauf, an einem Ast hängt eine Holzschaukel. Hinter dem Ast strahlt die Sonne am blauen Himmel.
Kastanienbaum im Garten der Familie Leeser

Helga Becker-Leeser liebte den Kastani­enbaum, der im Gar­ten ihres Elternhau­ses stand.

Helga Becker-Leeser liebte den Kastanienbaum, der im Garten ihres Elternhauses stand. Es war ein Relikt aus einer sorglosen Vergangenheit, einer schönen behüteten und geregelten Kindheit, „…ein Zeuge von fröhlichen und traurigen Tagen, vom Familienleben, Gartenfesten, Ruhemomenten, von Kindern, die in seinem Schatten spielten oder aus seinen Früchten Kastanienmännchen bastelten. Aber auch von Kindern, denen es auf einmal verboten war, draußen zu spielen, von einem Mädchen namens Helga, welches an seinen starken Ästen schaukelte – und sich Jahre später als erwachsene Frau an seinem einfachen Dasein erfreut.“ (Aus: „Von allem etwas…“, S. 93)

Die gesamte Projektgruppe hat tatsächlich während der Arbeit am Buch diesen Baum immer wieder „besucht“, erstaunt, dass er noch stand, war Dülmen doch fast vollständig durch den Bombenhagel im März 1945 zerstört worden. Daher sollte das Buch ursprünglich auch den alten stillen Baumzeugen im Titel tragen: „Unser Kastanienbaum steht heute noch…“ Leider jedoch war der Baum plötzlich im Mai 2015 aus Sicherheitsgründen gefällt worden, was bei Helga Becker-Leeser und Sohn Joost Becker sowie auch der gesamten Gruppe große Traurigkeit auslöste.

Dies erklärt auch, warum unsere Türe in der Präsenz-Ausstellungauf beiden Seiten von den Blättern dieses Baumes gesäumt und bedeckt wird, war (und ist) er doch symbolisches Bindeglied der Zeit vor 1933 und der Gegenwart.

Gegenwart

Erinnerungsarbeit in Bildern

Im Oktober 2015 in der Aula der Hermann-Leeser-Schule stellte die Literarturwissenschaftlerin Gabriele Osthues, Leiterin des Fachbereichs Literatur in der Kath. Sozialakademie Franz-Hitze-Haus, Münster im Beisein von Helga Becker-Leeser und ihrer Schwester Ingrid, die zum ersten Mal nach 1938 wieder in Dülmen war, das Buch und die Arbeit des Teams in beeindruckender Weise vor.

Ingrid Leeser hatte nach dem Ende des Krieges geschwo­ren, nie mehr deutschen Boden zu betreten. Diesen Schwur hatte sie gehalten, all die 77 Jahre. Anlässlich der Buchvorstellung, des Buches „Von allem etwas“, das ihre eigene Geschichte und die ihrer Schwester Helga erzählt, kam Ingrid Leeser erstmalig nach Deutschland und in ihre Geburtsstadt Dülmen zurück. Im Nachhall hat Ingrid Leeser uns in mehreren Briefen, in denen sie sich auch an unsere Schülerschaft wendet, mitgeteilt, dass sie mit dem Besuch in ihrer Heimatstadt ihren Frieden gefunden hat und sich über den Kontakt mit den Schülerinnen und Schülern freut. Helga Becker-Leeser hingegen stand uns viele Jahrzehnte als Zeitzeugin zur Verfügung und pflegte – gemeinsam mit ihrem Sohn Joost Becker – engen freundschaftlichen Kontakt zur „Schulfamilie“.

Helga Leeser blättert zusammen mit einigen konzentrierten Kindern in einem Fotoalbum an einem braunen Tisch.
Helga Becker Leeser zeigt am Buchprojekt beteiligten Schülerinnen und Schülern der Geschichts-AG der Hermann-Leeser-Schule ihr privates Fotoalbum

Ingrid Leeser hatte geschworen, nie mehr deutschen Boden zu betreten.

Diesen Schwur hatte sie gehalten,
all die 77 Jahre.

Helga Leeser hält ein geöffnetes Buch und schaut in die Kamera, Ingrid Leeser sieht in das Buch. Dahinter einige ebenfalls sitzende Menschen.
Die Schwestern Helga (rechts im Bild)
und Ingrid Leeser (links) bei der Buchvorstellung;
Die Stadt Dülmen war durch Bombenangriffe im 2. Welt­krieg am 21./22. März fast vollständig zerstört worden. Es existieren kaum Fotos aus der Zeit davor. Mit dem Foto­album der Leeser-Familie offenbarte sich also ein regel­rechter Schatz. Niemand aus unserem Team, niemand aus Dülmen, kannte bislang dieses umfangreiche und liebevoll angelegte Album.

An diesem Tag stand Helga Becker-Leeser den Schülerinnen und Schülern als Zeitzeugin Rede und Antwort; gemeinsam mit der Schulgemeinschaft und Gunter Demnig wurden weitere Stolpersteine in Dülmens Innenstadt verlegt.

Helga Leeser auf einer Wiese ein einem Grab mit kniehohem Grabstein und Steinen im Vordergrund. Links daneben weitere Personen, rechts Sträucher.
Helga Becker-Leeser in Begleitung ihres Sohnes Joost Becker am Grab von Hermann Leeser am 2. Juni 2008

Hermann Leeser

Hermann Leeser war Mitinhaber der Leinenweberei Leeser, verheiratet seit 1927 war er mit Rhea Zondervan, einer Niederländerin. Das Ehepaar lebte mit den Töchtern Helga und Ingrid an der Lüdinghauser Straße, direkt gegenüber der St.-Viktor-Kirche.

 

Als hochdekorierter Offizier des Ersten Weltkrieges, angesehener Bürger der Stadt und wichtiger Arbeitgeber nahm Hermann Leeser den Rat seines Bruders Otto, er solle mit seiner Familie emigrieren, nicht an. Die schrecklichen Ereignisse des 9. November 1938 schildert Helga eindrucksvoll im Buch „Von allem etwas“. Am 13. November 1938 beging Hermann Leeser Suizid im Gefängnis, das sich in Dülmen neben dem Amtsgericht befand. Er und 15 weitere Männer jüdischer Religionszugehörigkeit waren hier seit der Reichspogromnacht inhaftiert gewesen. Vor seinem Selbstmord hatte Hermann Leeser seinem niederländischen Schwager, der ihn noch im Gefängnis hatte sehen können, zugeraunt, dass seine Frau im Falle seines Todes ihre niederländische Staatsangehörigkeit wiedererlangen würde.

 

So konnte Rhea Leeser vier Wochen nach dem Tode ihres Mannes die beiden Kindern nach Zeist reisen lassen, wohin sie wenige Wochen danach folgte.

Großes dreistöckiges Gebäude, der untere Teil mit Stein, oben verputzt. Die Fenster des obersten Stockes sind deutlich größer als die der unteren Etagen.
Blick auf die Hermann-Leeser-Schule vom Charleville-Mézières-Platz aus gesehen

Zeitungsartikel „Hermann Leeser Namenspatron für Realschule“ DZ vom 5. November 1988

Namenspatron für die Realschule

Die Hermann-Leeser-Schule ist eine städtische Realschule für Mädchen und Jungen. Der Namenspatron der Schule ist Hermann Leeser, ein Dülmener jüdischen Glaubens, dessen Familie eine Textilfabrik gehörte, auf deren Fundamenten heute die Sporthalle der Schule steht. Hermann Leeser starb 1938 nach der Reichspogromnacht; seine Frau und seine beiden Töchter Helga und Ingrid konnten überleben, weil sie sich in Rotterdam versteckten.

An diesem Tag stand Helga Becker-Leeser den Schülerinnen und Schülern als Zeitzeugin Rede und Antwort; gemeinsam mit der Schulgemeinschaft und Gunter Demnig wurden weitere Stolpersteine in Dülmens Innenstadt verlegt.

Vier Stolpersteine eng beieinander im Boden.
Stolpersteine der Familie Leeser in Dülmen an der Lüdinghauser Straße 5 für Rhea, Hermann, Ingrid und Helga Leeser

Stolpersteinverlegung durch
Gunter Demnig

Zeichnung von Gunter Demnig wie er Stoplersteine in ein vorbereitetes Loch einsetzt. In der linken Hand ein Schraubenzieher, in der rechten einen der vier Stolpersteine. Daneben ein Hammer.

Stolpersteinverlegung durch
Gunter Demnig

Die Stolpersteinverlegung

Initiiert, organisiert und finanziert wurde die Verlegung der Stolpersteine innerhalb Dülmens durch die Schülerinnen und Schüler der Hermann-Leeser-Schule. Gelder aus dem regelmäßig stattfindenden schulinternen „Hermann-Leeser-Sponsorenlauf“ wurden auf wiederholten Beschluss der SV über Jahre dazu verwendet, insgesamt 44 Stolpersteine im Stadtzentrum bzw. in den Ortsteilen zu verlegen. Dass eine Schülerschaft eine derartig große Stolpersteinverlegung initiiert, finanziert und „pflegt“, ist im Regierungsbezirk Münster einmalig.

Bronzetafel an der Außenfassade des Kultur- und Weiterbildungshaus „Alte Sparkasse“, Münsterstraße 29 in Dülmen

Die Gedenktafel erinnert an die Synagoge, die auf sich auf der gegenüber­liegenden Straßenseite befand und in der Reichs­pogromnacht nieder­gebrannt wurde. (Bild 4)

Bronzetafel an der Außenfassade des Kultur- und Weiterbildungshaus „Alte Sparkasse“, Münsterstraße 29 in Dülmen

Schulgruppe vor dem Tor eines modernen Gebäudes.

Partnerschule der International School for Holocaust Studies in Yad Vashem

Die Hermann-Leeser-Schule wurde als erste von fünf Schulen in NRW Partnerschule der International School for Holocaust Studies in Yad Vashem. Im Rahmen dieser Partnerschaften kam es 2017 über ein Erasmus-Programm zu einer Begegnung zwischen jeweils vier Schülerinnen und Schülern der fünf NRW-Partnerschulen und einer Schülergruppe der Ha-Maayan High School aus Rishon Le Zion, der Partnerstadt Münsters, organisiert von der Villa ten Hompel in Münster. Die gesamte Gruppe war im Januar eine Woche in Israel, wo in Seminaren und Workshops intensiv in Yad Vashem gearbeitet wurde. Im Mai waren die israelischen und deutschen Schülerinnen und Schüler in Münster in der Villa ten Hompel zu Gast. In Israel und in Münster kam es zu intensiven Gesprächen auch mit der damaligen Schulministerin Sylvia Löhrmann.

Jerusalem, Yad Vashem, Tal der Gemeinden © Foto Theo Schwedmann

Reise nach Israel

Ein großer Wunsch der SchülerInnen, der während der Arbeit am Buchprojekt entstand, war es, nach Israel zu reisen, Yad Vashem zu besuchen, all das, worüber nun so viel gesprochen worden war, arbeitend und forschend in Yad Vashem zu intensivieren und mehr begreifen zu können, darüber hinaus Land und Leute kennenzulernen. Dieser Wunsch wurde Wahrheit! Die Schülergruppe konnte – dank großzügiger Sponsoren – gemeinsam mit Theo Schwedmann, Gerda Küper, Andrea Peine und Andreas Weinhold in den Sommerferien 2016 für acht Tage nach Jerusalem reisen. In Yad Vashem , der weltweit größten Holocaust-Gedenkstätte, entwickelte die Gruppe die Biparcours-App „Yad Vashem“: „Du willst etwas über die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem erfahren? Die Geschichts-AG der Hermann-Leeser-Schule war dort und hat Fotos,

Interviews und viele Erkenntnisse mitgebracht“, so das „Intro“ der App. Und zum Tal der Gemeinden erfährt man dort: „Das Tal der Gemeinden ist ein besonderes Denkmal auf dem Gelände der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Es liegt an einem der tiefsten Punkte des Mount of Rememberance, hat eine Höhe von ungefähr einem Hektar und soll an die während des Holocaust ganz oder teilweise zerstörten jüdischen Gemeinden Europas erinnern. Auf großen geschliffenen Felswänden stehen die Namen von über 5000 jüdischen Gemeinden. Auch Dülmen ist in Erinnerung an die jüdische Gemeinde dort zu finden.“

 

Die App wurde im Rahmen des Holocaust-Gedenktages 2017 in Dülmen vorgestellt und wird seitdem von vielen Schülerinnen und Schülern in NRW genutzt.

Idee u. Text: Geschichts-AG der Hermann-Leeser-Schule mit Gerda Küper, Dr. Andrea Pein se, Mechthild Remme, Petra Baune und Frieder Martike; Theo Schwedmann, Dr. Stefan Sudmann (Stadtarchivar Dülmen)
Gestaltung u. Grafik: Christiane Daldrup, Udo Schotten
Fotos und Quellen: Bild 1: Zeichnung Udo Schotten. „Von allem etwas“, S. 29; Bild 2: Foto Privatarchiv Helga Becker-Leeser. „Von allem etwas“, S. 28; Bild 3: Foto Heinrich Pohlmann. „Von allem etwas“, S. 48; Bild 4: Privatarchiv Elisabeth Buthmann. „Von allem etwas“, S. 38; Bild 5: Foto Leo Baeck Institute, Center for Jewish History, New York – Archiv-Nr. F24265. „Von allem etwas“, S. 26; Bild 6: Zeichnung Udo Schotten. „Von allem etwas“; Bild 7: Stadtarchiv Dülmen. „Von allem etwas“, S. 39; Bild 8: Stadtarchiv Dülmen. „Von allem etwas“, S. 27; Bild 9: Foto Privatarchiv Helga Becker-Leeser. „Von allem etwas“ S. 23; Bild 10: Stadtarchiv Dülmen, „Von allem etwas“, S. 19; Bild 11: Zeichnung Udo Schotten. „Von allem etwas“, S. 18; Bild 12: Foto Christiane Daldrup. „Von allem etwas“, S. 47; Bild 13: Zeichnung Udo Schotten. „Von allem etwas“, S. 69; Bild 14: Fotos Joost Becker. „Von allem etwas“, S. 69; Bild 15: Zeichnung Udo Schotten. „Von allem etwas“, S. 92; Bild 16: Foto Dülmener Zeitung; Bild 17: Foto Bildungspartner NRW, Andreas Weinhold. „Von allem etwas“, S. 82; Bild 18: Foto Dülmener Zeitung; Bild 19: Dülmener Zeitung. „Von allem etwas“, S. 80; Bild 20: Foto Dietmar Rabich. „Von allem etwas“, S. 80; Bild 21: Zeichnung Udo Schotten. „Von allem etwas“, S.81; Bild 22: Dr. Andrea Peine; Bild 23: Foto Dietmar Rabich. „Von allem etwas“, S. 43; Bild 24: Dr. Andrea Peine

Kurzinfo Buchprojekt

Im Rahmen des Bildungspartnerkongresses 2015 der Medienberatung des Landes Nordrhein-Westfalen mit dem Schwerpunktthema „Memory – Erinnern will gelernt sein“ ist das Buchprojekt der Hermann-Leeser-Realschule „Von allem etwas …“ ausgezeichnet worden.

Die von der Holocaust-Überlebenden Helga Becker-Leeser persönlich aufgeschriebene Geschichte ihrer jüdischen Kindheit in Dülmen und Rotterdam wurde in einjähriger intensiver Arbeit als Graphic-Novel umgesetzt von einem Team, bestehend aus Schülerinnen und Schülern der Geschichts-AG Hermann-Leeser-Schule unter der Leitung der Lehrerinnen Dr. Andrea Peine und Gerda Küper, beide Yad Vashem Graduates, sowie dem Leiter des Stadtarchivs Dr. Stefan Sudmann, Theo Schwedmann, dem langjährigen Leiter des NRW-Forschungsprojektes „Erziehung nach Auschwitz“, dem Vorsitzenden des Heimatvereins Dülmen, Eric Potthoff, der Grafik-Designerin Christiane Daldrup und dem Künstler Udo Schotten.